Golnaz Hosseini
   EXHIBITIONS  TEXT.  WORKS   PORTFOLIO   CV&CONTACT






I fight you till I win
Manuel Market
March 2023

Dear Golnaz

Some time ago you sent by messenger some colored sketches of your paintings for the exhibition "I Fight You Till I Win". As usual, the sketches are on paper between A5 to A4 and painted in two or three shades. You have arranged them on the ground in such a way that the floor plan of the exhibition space where these paintings will be hung can already be guessed. Everything seems to have its calculated place, which is additionally underlined by a reduced language of color as well as form.
At first glance, I'm not sure I can break down anything unmistakable from this. I do quickly recognize the whole and breaking apart bone motifs (or are they just being put together?) as well as a strange shape that moves between hourglass or a clown with a bow tie. I also recognize similarities to the wings of Pazuzu that I saw in your older “Dust Enforcer” series. But here the same forms seem alienated from this mythological figure, and the composition of the image is perhaps still vaguely reminiscent of a warning signal evoked by the red-black- yellow color palette, as in the bone paintings.

While looking at your photo with the image sketches, I sit on the train and let them take effect on me. My gaze wanders and I wonder what these images remind me of, what they want, and where such images might fit.
I see all the pictograms that are stuck to the walls in the train - but these are different, despite formal similarities. Because in your pictures, for me, the reference to a specific institution is missing, as in the case of those on the train, which refer not only to the rules, but also to the whole organization (I'm thinking of the idea of corporate design, which first appeared at the 1972 Olympic Games in Munich by the designer Otl Aicher, who thought up and created the design together with architecture, signposts, all the way to tickets). Since you tend to hold back with an all too personal handwriting in your pictures and the formal language, however, has likewise not originated from the graphics office or been directly copied from it, your pictures play for me rather with the possibility of attributing the authorship to a larger collective memory.

All these confusing ambiguities or possibilities, which open up despite the reduced formal language and for that very reason also have a more intense effect, create a subtle tension in me, as one knows it from ambiguous pictures. That's why I imagine it strange and disorienting to see these images alongside other signs in public space. Perhaps as strange as the first binding signal and sign systems in rail or shipping might have seemed at the beginning of their creation?

This game of uncertainties continues for me because I don't know if the doublings of motifs suggest intensification, a double "command" or simply abundance. Even if I look for a system in the motifs, I cannot deduce a conclusive one. On the other hand, it is helpful for me that you showed me some more pictures in original size during the last studio visit. The tension between the colors and the geometrically based forms, which you put together in such a way that colors visually repel each other or try to pull them onto the same plane, intensifies in the large formats. Perhaps one might think that these are incidental "effects," but for me it is just such experiences, alongside the myriad and rapidly circulating images, that create more presence.

And that is why this methodology of physical confrontation is an answer for me to the questions that arose at the beginning, what do these paintings remind me of, what do they want, and where could such paintings possibly fit? Therefore, again, back to comparing your paintings with other paintings and pictograms, because they can thus be located somewhere between the masses of extremely fast circulating and the "fixed" paintings (in my imagination, for example, I can see them in situationally adapted combinations and changing/moving from room to room). They are also paintings that do not direct us anywhere like pictograms, nor do they command us to stop. Rather, I sense the command for a physical listening/awareness that I can try to ignore by turning away, but still they continue to remind me of a sense of a gap or rupture in the system of pictures and functional space, which seems to haunt me internally.

See you soon, Manu



(DE)

Liebe Golnaz

Per Messenger hast du mir vor einiger Zeit die ersten farbigen Entwürfe deiner Malereien für die Ausstellung «I Fight You Till I Win» geschickt. Wie gewohnt sind die Skizzen auf Papier zwischen A5 bis A4 und in zwei bis drei Farbtönen gemalt. Du hast sie auf dem Boden so angeordnet, dass der Grundriss des Ausstellungsraumes, in dem diese Bilder gehängt werden, bereits erahnt werden kann. Alles scheint seinen berechneten Platz zu haben, was durch eine reduzierte Farb- sowie Formensprache zusätzlich unterlegt wird.
Auf den ersten Blick bin ich mir nicht sicher, ob ich daraus etwas Unmissverständliches aufschlüsseln kann. Ich erkenne zwar schnell die ganzen und die auseinanderbrechenden Knochen-Motive (oder werden sie gerade zusammengesetzt?) sowie eine seltsame Form, die sich zwischen Sanduhr oder einem Clown mit Fliege bewegt. Ich erkenne auch Ähnlichkeiten mit den Flügeln von Pazuzu, die ich in deiner älteren Serie «Dust Enforcer» gesehen habe. Doch hier scheinen dieselben Formen dieser mythologischen Figur entfremdet zu sein und der Bildaufbau erinnert vielleicht noch vage an ein Warnsignal, das wie bei den Knochenbildern durch die rot-schwarz-gelbe Farbpalette evoziert wird.

Während ich dein Foto mit den Bildentwürfen anschaue, sitze ich im Zug und lasse sie auf mich wirken. Mein Blick schweift dabei herum und ich frage mich, woran mich diese Bilder erinnern, was sie wollen und wohin solche Bilder passen könnten.
Ich sehe all die vielen Piktogramme, die im Zug an den Wänden kleben - doch diese sind trotz formalen Ähnlichkeiten anders.
Denn in deinen Bildern fehlt für mich der Bezug auf eine spezifische Institution wie bei jenen im Zug, welche nicht nur auf die Regeln, sondern auch auf die ganze Organisation hinweisen (Ich denke dabei an die Idee des Corporate Designs, das bei den Olympischen Spielen 1972 in München durch den Designer Otl Aicher erstmals in Erscheinung trat, indem er das Design mit Architektur, Wegweisern bis hin zu Tickets zusammendachte und gestaltete.). Da du dich in deinen Bildern mit einer allzu persönlichen Handschrift eher zurückhältst und die Formensprache aber ebenso wenig aus dem Grafikbüro entsprungen oder davon direkt kopiert ist, spielen deine Bilder für mich vielmehr mit der Möglichkeit, die Urheberschaft einem grösseren kollektiven Gedächtnis zuzuschreiben.

All diese verwirrenden Mehrdeutigkeiten oder Möglichkeiten, die sich trotz der reduzierten Formensprache eröffnen und gerade deswegen auch intensiver wirken, erzeugen in mir eine subtile Spannung, wie man es von Kippbildern kennt. Deswegen stelle ich es mir komisch und desorientierend vor, diese Bilder neben anderen Zeichen im öffentlichen Raum zu sehen. Vielleicht so seltsam wie die ersten verbindlichen Signal- und Zeichensysteme im Bahn- oder Schiffsverkehr zu Beginn ihrer Entstehung gewirkt haben könnten?

Dieses Spiel mit Verunsicherungen geht für mich noch weiter, weil ich nicht weiss, ob die Verdoppelungen von Motiven eine Intensivierung, ein doppelter «Befehl» oder einfach nur Überfluss andeuten. Selbst wenn ich nach einem System in den Motiven suche, kann ich kein schlüssiges erschliessen. Hingegen ist es für mich hilfreich, dass du mir beim letzten Atelier-Besuch noch einige Bilder in Originalgrösse gezeigt hast. Die Spannung zwischen den Farben und den geometrisch angelehnten Formen, die du so zusammenstellst, dass sich Farben optisch nach vorne oder hinten abstossen oder auf die gleiche Ebene zu ziehen versuchen, intensivieren sich bei den grossen Formaten. Vielleicht könnte man denken, dass dies nebensächliche «Effekte» sind, doch für mich schaffen gerade solche Erfahrungen, neben den unzähligen und schnell zirkulierenden Bildern, mehr Präsenz.

Und deswegen ist diese Methodik der körperlichen Konfrontierung für mich eine Antwort auf die zu Beginn aufgetauchten Fragen, woran mich diese Malereien erinnern, was sie wollen und wohin wohl solche Bilder passen könnten? Deshalb nochmals zurück zum Vergleich deiner Bilder mit anderen Bildern und Piktogrammen, weil sie damit irgendwo zwischen den Massen von extrem schnell zirkulierenden und den «fixierten» Bildern verortet werden können (in meiner Vorstellung kann ich sie beispielsweise in situativ angepassten Kombinationen und von Raum zu Raum wechseln/wandern sehen). Es sind auch Malereien, die uns nicht wie Piktogramme irgendwohin lotsen und uns ebenso wenig befehlen stehenzubleiben. Vielmehr spüre ich den Befehl für ein körperliches Aufhorchen/Wahrnehmen, das ich zwar zu ignorieren versuchen kann, indem ich mich abwende, aber dennoch erinnern sie mich weiterhin an ein Gefühl einer Lücke oder an einen Bruch im System der Bilder und des funktionalen Raumes, was mich innerlich zu verfolgen scheint.

Bis bald, Manu